Ich bin immer wieder erfreut überrascht über die zahlreicher werdenden Rückmeldungen zu dieser Reihe. Vielen Dank dafür! Jetzt hat mir aber in der letzten Woche jemand mal so richtig einen eingeschenkt: Ständig würde ich sagen, dass ich mit meiner Beratungsfirma 360 Grad Betriebsrat Cosulting einen Mehrwert schaffen will auch für die Arbeit von Jugend- und Auszubildendenvertretungen, tatsächlich aber noch nicht eine einzige Folge zur JAV gemacht.
Der Punkt geht ganz klar an den jungen Kollegen, und so geht es heute um meine Sicht auf eines der wichtigsten Dinge in unserer Gesellschaft: Das Engagement junger Leute und ihre Übernahme von Verantwortung für die Gestaltung von Arbeitsbedingungen! Heute geht es um die JAV!
Hallo liebe Betriebs- und Personalräte, Schwerbehindertenvertrauensleute und herzlich Willkommen liebe Kolleginnen und Kollegen aus den JAVen.
Diese Folge wird eine persönlichere als die meisten, denn ich habe meine Betriebsratslaufbahn, die immerhin in einen Konzernbetriebsratsvorsitz und dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz eines DAX-Konzerns mündete, als Jugend- und Auszubildendenvertreter mit süßen 16 Jahren begonnen. Davon möchte ich jetzt ein wenig erzählen und im Anschluss an die Erkenntnisse und Ableitungen zu kommen, die nicht zuletzt auch für Betriebsräte besonders wichtig sind.
Ich beendete meine Schullaufbahn mit dem Realschulabschluss, da war ich gerade 16 Jahre alt geworden. Und direkt im Anschluss ging es los mit der Ausbildung bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung in Hamburg, das ist heute die ERGO. Die älteren werden sich noch an das „Hallo, Herr Kaiser!“ erinnern. So etwas wie ein „gap year“, also erstmal ein Jahr ins Ausland düsen und work and travel machen, das gabs seinerzeit eigentlich nicht oder kaum.
Also eine Ausbildung, auf die ich mich als 15 jähriger bewerben musste. Ganz ehrlich, ich hatte kaum eine Peilung, was ich machen soll, und weil ich ein kleines Talent für Zahlen habe, habe ich mich für die Ausbildung zum Versicherungskaufmann entschieden.
Als einer von 64 Azubis fing ich also an, ohne jede Orientierung, worauf ich mich da eingelassen habe. Ich beneide die jungen Leute, die heute in aller Ruhe ihr Abi machen, dann ein Jahr pausieren und dann mit 19 oder 20 etwas beginnen. Da ist man mit Blick auf das Leben schon sehr viel weiter als ich es war.
Und die JAV, das hat mir gleich Halt gegeben. Denn schon in der Einführungswoche hat es eine Präsentation der JAV gegeben, in der wir neuen Azubis nicht nur richtigerweise in die Gewerkschaft eingenordet wurden, sondern man hat uns auch gleich gesagt, da wären demnächst Wahlen, und man suche noch nach Kandidaten. Das gefiel mir, und ich stellte mich zur Wahl. Als fünfter von fünfen kam ich so eben rein, und meine aufregende Reise als Arbeitnehmervertreter begann.
In der JAV setzten wir uns mit Ausbildungsplänen auseinander, bastelten an einem neuen Beurteilungssystem herum, planten und führten durch Jugend- und Auszubildendenversammlungen, organisierten Azubi-Feiern, fuhren zu Gewerkschaftsseminaren und Veranstaltungen, damals noch der DAG, haben Azubi-Sprechstunden gemacht, uns um Probezeitfälle und Azubi-Beschwerden und Probleme gekümmert, an Betriebsratssitzungen teilgenommen und vieles mehr.
So kam es dazu, dass ich also nicht nur Schritt für Schritt in die Ausbildung mich weiter einfand, sondern auch, und das war für mich ganz wichtig und persönlichkeitsbildend, mich mit der Ausbildung auseinandergesetzt habe, kreativ mit super Leuten, mit denen ich teilweise noch heute befreundet bin oder gelegentlichen herzlichen Kontakt pflege, zusammen was gemacht habe und begonnen habe zu verstehen und zu verinnerlichen, wie wichtig es ist, für andere Kolleginnen und Kollegen da zu sein und – meist im Hintergrund und unsichtbar – zu ihrem Wohl und Vorteile Dinge zu regeln.
In all dieser Zeit hatten wir die betriebsratsseitige Unterstützung von einem Jugend- und Ausbildungsausschuss, und mein langjähriger Freund, Mentor dieser ersten Jahre und späterer Mitstreiter im Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat, der leider viel zu früh verstorbene Harald Herber nahm mich und uns immer wieder sinnbildlich an die Hand, war immer da, kümmerte sich.
Den Job als Jugend- und Auszubildendenvertreter habe ich dann einige Jahre gemacht und wurde recht schnell auch Vorsitzender in der Gesamt- JAV. Irgendwann wechselte ich in den Betriebsrat. Und seither und auch schon vorher haben wir es vom Betriebsrat immer so gehandhabt, dass wir einen oder zwei JAV-Veteranen mit attraktiven Listenplätzen bei der Betriebsratswahl versehen haben. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die dem Betriebsrat in der ERGO Hamburg angehören, sind ehemalige Jugend- und Auszubildendenvertreter. Das betrifft das komplette Vorsitzendenteam und auch einige der freigestellten Kolleginnen und Kollegen bzw. solche, die als ordentliche Betriebsratsmitglieder aktiv sind. Und der höchst willkommene Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist eine absolut tolle Altersmischung im Betriebsrat, weil ja alle vier Jahre ein bis zwei der jungen Leute nachrückten.
Für Euch als heutige Jugend- und Auszubildendenvertreter gilt: Seid nicht schüchtern oder übertrieben bescheiden. Bringt Euch ein, vernetzt Euch mit anderen JAVen, hinterfragt immer alles, lasst Euch kein X für ein U vormachen, probiert mal was aus. Fordert Euren Betriebsrat in der Zusammenarbeit. Taucht ein in die verschiedenen Azubi-Jahrgänge in Eurem Haus, seid überall, kümmert Euch, macht Sitzungen und Treffen, mischt kräftig mit und auf!
Euch Betriebsräten möchte ich gern zurufen: Kümmert Euch so intensiv, wie es geht, um die JAV, aber lasst ihr auch Freiräume! Am Besten, wenn der Betriebsrat groß genug ist, richtet Ihr einen Ausschuss für die Themen der Azubis ein, oder mindestens benennt Ihr einen hauptverantwortlichen Kümmerer aus Eurer Mitte um das Thema. Und auch, wenn es anstrengend ist, wegen dem ständigen Kommen und Gehen der JAV-Mitglieder, weil sie nach der Ausbildung vielleicht nicht im Betrieb bleiben oder weil sie nicht wieder kandidieren oder weil welche in der Berufsschule sind oder in anderen Ausbildungsblöcken. Auch dann lohnt es sich!
Denn wenn man das intensiv betreibt mit der JAV und das nicht als fünftes Rad am Wagen sieht oder komplett vernachlässigt, dann entstehen auch für Euch Betriebsräte daraus ungeheure Chancen! Chancen auf kontinuierlichen qualifizierten Nachwuchs bei jeder Wahl. Chancen auf mehr Spaß bei der Betriebsratsarbeit durch die Zusammenarbeit mit der Jugend. Chancen auf das Hinzulernen durch das Verstehen des Blicks der jungen Leute auf den Job und das Leben!
Ich führe mit meiner Beratungsfirma auch JAV-Seminare durch, und mir macht das immer einen Riesenspaß. Lasst uns doch mal etwas gemeinsam machen: Die JAV und einige Leute aus dem Betriebsrat in einer Inhouse-Veranstaltung. Über die Rechte, Aufgaben und Pflichten der JAV, ihre besondere Rolle im Verhältnis zum Betriebsrat und dessen Mitbestimmungsrechte in Ausbildungsfragen, über die Durchführung von Jugend- und Auszubildendenversammlungen, wie man seine JAV-Agenda und damit verbundene Ziele setzt, wie man die JAV-Arbeit strukturiert und plant und vieles mehr. Ich würde mich riesig darüber freuen, wenn wir das bei Euch im Hause gemeinsam aufgleisen!
Oder, falls Ihr mal Lust dazu habt, dann machen wir mit Euch und Eurer JAV mal eine Podcastfolge hier auf meinen 360 Grad Betriebsratskanal, das wird bestimmt klasse!
Sprecht mich gern an, wir machen da etwas Gutes zusammen!
Bis zum nächsten Mal. Tschüss aus Hamburg!
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