Marco Nörenberg:
Ja, hallo liebe Kolleginnen und Kollegen zu einer neuen Folge des Podcasts 360 Grad Betriebsrat. Heute wieder mit Katja Birkholz und liebe Katja, wir haben uns ja letztes Mal unterhalten über die Frage der vertrauensvollen Zusammenarbeit und da gibt es tatsächlich auch einiges an Reaktionen drauf, an Nachfragen, an Rückfragen und vor allen Dingen drehen sich viele Fragen da um den §74 Betriebsverfassungsgesetz, in dem diese vertrauensvolle Zusammenarbeit weiter institutionalisiert und auch besprochen wird und diesen §74 wollen wir heute etwas tiefer legen.
Ja und damit hallo natürlich auch liebe Katja, schön, dass du da bist wieder. Wir haben jetzt zwei Podcastfolgen miteinander zusammen auf diese Weise gemacht und das ist jetzt schon das dritte Mal, da entwickelt sich ja so eine kleine Routine schon und erzähl uns doch einfach erst mal, wie hat es sich bis jetzt angefühlt und wie bist du drauf, was diese Geschichte angeht mit dem Podcast hier?
Katja Birkholz:
Ja gerne, hallo Marco erst mal, ich freue mich, dass wir uns wieder zusammentreffen. Man sagt ja nicht umsonst, aller guten Dinge so drei und es macht mir viel Spaß mit dir zusammen den Podcast aufzuzeichnen und ich lerne wahnsinnig viel, was ich ansonsten in der normalen Betriebsratsarbeit in diesem Tempo gar nicht lernen kann.
Marco Nörenberg:
Ja klasse, heute wollen wir quatschen über das Thema §74 Betriebsverfassungsgesetz mit einem thematischen Schwerpunkt auf das Thema dieser Monatsgespräche, aber wir nehmen natürlich als Beifang auch noch die anderen Punkte mit, die in diesem §74 stehen. Ich glaube, die allermeisten Betriebsräte machen das irgendwie, dass sie mit ihrem Arbeitgeber mehr oder weniger regelmäßig zusammenkommen. Ich bekomme da allerdings eine ganze Reihe von Fragen und Rückmeldungen zu, also was beispielsweise die Gesprächstaktung angeht, die Frage, wer nimmt daran teil, wie ernsthaft wird sich da eingelassen. Zu all diesen Punkten bekomme ich Zuschriften und Fragen und da wollte ich mit dir jetzt mal drüber sprechen. Vielleicht magst du uns erst mal ein bisschen was zu deinen Erfahrungen erzählen mit §74 Betriebsverfassungsgesetz und vielleicht auch ein bisschen einleiten, was da so eigentlich drin steht.
Katja Birkholz:
Ja, sehr gerne. Also im §74 stehen ja viele Dinge drin. Es geht nicht nur um die Monatsgespräche, es geht auch noch um andere Themen, aber ich würde sagen, dazu steht da mehr. Du hast gefragt,
wie wir das handhaben bzw. was ich für Erfahrungen damit gesammelt habe im Monatsgespräch. Also ich habe schon verschiedene Modelle kennengelernt. Bei dem einen Modell zum Beispiel kann man sich viermal im Jahr treffen in einer großen Runde. Also das heißt, das gesamte Gremium ist in dem Gespräch dabei und die gesamte Geschäftsführung zusammen mit Vertreterinnen aus dem Personalbereich und das kann man dann im Wechsel machen im kleinen Kreis, also auch viermal
im Jahr und daneben dann zum Beispiel nur zwei Vertreterinnen aus dem Betriebsparteien und auch zwei aus dem Personalbereich. Das hat verschiedene Vor- und Nachteile. Also der Rhythmus ist natürlich ein bisschen länger. Wer jetzt mitgezählt hat, hat sich gemerkt, zweimal treffen, viermal im Jahr ergibt im Schnitt alle sechs Wochen ein Treffen und es gibt dann, wenn ich jetzt da mal resümierend drauf schaue, bei den kleinen Runden aus meiner Sicht den tollen Vorteil, dass man unter acht Augen quasi schneller in eine vertraute Gesprächsatmosphäre kommt. Also man spricht auch mal über Randthemen oder kommt ins Brainstorming und entwickelt ganz neue Impulse rechts und links neben der Betriebsratsarbeit oder auch mit der Betriebsratsarbeit.
Der Nachteil kann sein, dass man einfach mehr Vor- und Nachbereitungszeit braucht, weil man natürlich vorher mit dem Gremium zusammen sich vorbereitet und dann im Nachgang das Gremium wieder ins Boot holen muss. Da geht einfach natürlich ein bisschen mehr Zeit drauf. Und dann kann es natürlich manchmal auch so eine Stelle Posteffekt geben, wo dann Details verloren gehen.
Marco Nörenberg:
Tatsächlich bin ich diese Woche bei einer Betriebsratssitzung dabei gewesen, es passt mehr oder weniger fast zufällig, wo der Betriebsrat tatsächlich mir gesagt hat, die haben seit Ewigkeit solche Gespräche nicht geführt und der §74 sagt er am Wortlaut, Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Natürlich bespricht man sich mit dem Arbeitgeber in dieser Runde, in dieser Runde, in jener Runde, meistens irgendwie fachbezogen. Da geht es um personelle Angelegenheiten, dies, das und jenes. Aber diese 74er Gespräche, also diese Monatsgespräche, die haben ja eigentlich einen anderen Charakter. Die sind ja nicht sozusagen das Abarbeiten auf Fachebene, sondern da soll praktisch der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber zusammentreten. Und einer der Kollegen sagte dann, also das würde unser Arbeitgeber, der würde das gar nicht machen, der hat da gar keine Lust zu. Wir haben jetzt eine Arbeitsebene und diese Runden, die wollen wir so nicht durchführen. Du hast ja gesagt, okay, alle sechs Wochen, das gibt das Gesetz auch her. Also man kann sich auch auf sowohl abweichende Runden als auch abweichende Zeiträume verständigen. Aber es kann ja auch sein, dass der Arbeitgeber gar kein Interesse daran hat, an solchen Gesprächen. Wie würde man denn mit solchen Fragen umgehen?
Katja Birkholz:
Ja, da sprichst du oft das Gesetz an und das hat sich dazu natürlich konkretes überlegt. Also wenn der Arbeitgeber sich wiederholt weigert, mit dem Betriebsrat zu einer gemeinsamen Sitzung
zusammen zu kommen, dann ist das eine grobe Pflichtverletzung. Nach §23 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat dann beim Arbeitsgericht Klage einreichen und den Arbeitgeber damit an den Tisch holen. Also der Betriebsrat erhält sozusagen einen Verfügungsanspruch.
Marco Nörenberg:
Ja, das ist tatsächlich, finde ich, so eine interessante Konstellation, weil hier steht ja „sollen“. Normalerweise, das lernt man ja irgendwie auch in kaufmännischen Ausbildungen, soll heißt nicht muss. Das heißt, wenn ich es nicht mache, ist es auch nicht so wild. Tatsächlich aber hat sich ja eine Rechtsprechung hier auch wirklich herausgebildet, dass dieses soll im Betriebsverfassungsgesetz an dieser Stelle nicht etwa bedeutet, ich kann das willkürlich lassen, sondern dass das ist ja auch eine Konkretisierung dieses Anspruchs zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dass also, ich sag mal, einvernehmlich darauf verzichtet werden kann, weil man irgendwelche anderen Formate hat, aber dass sich nicht eine Seite weigern darf. Weil das im Grunde genommen dann auch der Verstoß gegen diese vertrauensvolle Zusammenarbeit wäre. Deswegen kommen eben da solche Konsequenzen in Betracht. Tatsächlich glaube ich aber, ist das eher der Fall, dass sich ein Arbeitgeber gar nicht auf solche Runden einlässt. Ist wahrscheinlich nicht so häufig der Fall, wo man sagt, ich will nicht mit dir sprechen. Ich meine, das wäre ja auch wirklich einigermaßen gaga. Aber was mich viel öfter erreicht, ist dann eben das Thema, wie ist es mit den personellen Zusammensetzungen dieser Runden. Also wer nimmt daran teil? Du hast ja gesagt, einmal sind dann alle dabei. Das zumindest ist, glaube ich, nicht überall so. Manchmal sind das auch Runden, wo der Vorsitzende mit dem Personalleiter spricht oder so etwas. Das sind aber keine 74er- Gespräche. Andersrum ist es eben auch manchmal so, dass ich höre, die Runden, die stattfinden, da schickt der Arbeitgeber irgendwelche Subalternen, die nichts zu melden haben, keine Verhandlungsvollmacht oder so etwas. Das lässt uns dann unbefriedigt zurück. So nach dem Motto, das Gesetz sagt zwar, wir sollen dort uns treffen. Es sagt ja auch weiter in dem zweiten Satz, Arbeitgeber und Betriebsrat haben dann über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Vereinigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Das setzt ja irgendwie auch voraus, dass dir da als Betriebsrat auch jemand gegenüber sitzt, der etwas zu melden hat und nicht irgendeine einköpfige oder mehrköpfige Mitnahmezentrale, die sich alles nur anhört und das in den Arbeitgeber weiterleitet, aber selber im Grunde genommen gar nicht mit dem Betriebsrat darüber redet. Das muss ja auch Substanz haben, solches Gespräch. Wie ist da deine Sicht auf diesen Punkt?
Katja Birkholz:
Ja, genau. Du hast es ja gesagt, das Gesetz hat dazu eine klare Meinung und gibt vor, dass der Arbeitgeber selbst teilzunehmen hat oder sich durch Personen mit entsprechender Sachkenntnis vertreten zu lassen hat. Der Betriebsrat hat die Möglichkeit, entweder gesammelt teilzunehmen oder einen Beschluss zu fassen und in dem Beschluss festzuhalten, dass er an einen Ausschuss delegieren möchte, der dann teilnimmt. Es macht natürlich wenig Sinn, wenn man eine Liste hat, die man kontinuierlich abarbeitet, die aber nie kürzer wird, weil der Arbeitgeber alles einfach nur mitnimmt
und Rückmeldung verspricht und dann aber keine Rückmeldung kommt. Dann muss der Betriebsrat sich natürlich aus meiner Sicht überlegen, was für Themen möchte ich dann konkret wirklich voranbringen. Welche Themen sind mir wichtig? Wo habe ich ein starkes Mitbestimmungsrecht und kann gegebenenfalls auch andere Schritte einleiten, außer immer nur nachzufragen? Wo habe ich gegebenenfalls kein aktives Mitbestimmungsrecht, sondern vielleicht nur ein Informationsrecht und unterscheide es dann eventuell? Das nehme ich mit. Das setze ich lieber auf die Prio-Zwei-Liste.
Marco Nörenberg:
Ich habe tatsächlich mal die Situation gehabt, dass ein Arbeitgeber gesagt hat, er sieht keinen Anlass für 74er-Gespräche, weil wir haben doch überhaupt keine strittigen Themen. Das fand ich ein bisschen sehr weit daneben oder drüber, wie man jetzt inzwischen sagt. Denn im Grunde geht es ja im 74er-Gespräch nicht nur darum, sich zu streiten, sondern es ist im Gegenteil der Ausdruck dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit. Insofern ist es eben schlicht und ergreifend so, dass der Arbeitgeber auch verpflichtet ist, diesen Gesprächen auch die Substanz zu verleihen von seiner Seite aus. Also wenn er da nur irgendwelche Subaltern schickt, die nur alles mitnehmen, aber gar nicht gesprächs- und verhandlungsbereit sind, dann verstößt er tatsächlich auch gegen die Vorgabe aus 74, es steht ja eben drin, sie haben zu verhandeln und tatsächlich auch zu versuchen, eine Einigung zu erzielen. Das heißt, es muss also jemand sein, der verhandeln darf und der auch Einigungsmöglichkeiten tatsächlich auch herbeiführen darf in solchen Geschichten. Also wenn das nur Laberveranstaltungen sind, dann ist das mit Sicherheit eben nicht Ausdruck dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit nach 74. Ich habe da auch nochmal mitgebracht hier eine Kommentierungsstelle, die finde ich auch nicht uninteressant aus dem Fitting. Da steht ja auch etwas zu dieser gegenseitigen Einlassungs-und Erörterungspflicht. Das ist etwas was man ernst nehmen muss. Das führt sogar in der Konsequenz dazu, wenn der Arbeitgeber sich permanent weigert, sich einzulassen, dass es tatsächlich sogar in dem Bereich der strafbaren Behinderung der Betriebsratsarbeit führen kann. Also das heißt, da reden wir dann irgendwann sogar über 119 Betriebsverfassungsgesetz. Das heißt, wenn der Arbeitgeber sich bewusst weigert, sich auf die Argumente einzulassen des Betriebsrats und gar nicht mit dem verhandelt, dann verhält er sich
nicht nur pflichtwidrig, sondern im Vorsatz, im Wiederholungsfall, dann ist es sogar strafbar. Das ist eine der ganz wenigen Stellen im Gesetz, wo dann auch wirklich auf 119 verwiesen wird. Das finde ich schon beeindruckend, weil es ja im Grunde genommen um eine Diskussionsveranstaltung
geht, §74, bei manchen zumindest. Aber hier geht es eben auch um Verhandeln.
Die Kommentierung sagt dazu, dass der Arbeitgeber sich einlassen muss, also es gibt eine gegenseitige Einlassungs- und Erörterungspflicht. Ich lese das mal ab hier in Randnummer 9a von §74 Fitting sagt hier, dass diese Einlassungs- und Erörterungspflicht gilt in allen strittigen Angelegenheiten, also auch in solchen, die nicht der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte unterliegen. Das heißt, der Arbeitgeber muss sich das trotzdem anhören, dann kann ich einfach sagen, interessiert mich nicht, hast kein Mitbestimmungsrecht, dann muss ich also auf alle Fragen einlassen. Arbeitgeber und Betriebsrat sind deshalb nicht nur verpflichtet, ihre jeweilige Position zu
Streitfragen darzulegen und zu begründen, sondern auch zu der Haltung der jeweils andere Seite Stellung zu nehmen. Es widerspricht grundsätzlich der Einlassungs- und Erörterungspflicht, wenn ein Betriebspartner ohne jeglichen vorherigen Einigungsversuch die Einigungsstelle anruft. Das ist eben auch für Betriebsräte zu bedenken, dass man hier eben versucht, sich noch zu einigen und eine Einigung muss ja auch gescheitert sein, bevor du eine Einigungsstelle anrufen kannst, aber eben die Parteien müssen sich in diesen Gesprächen auch wirklich ernsthaft einlassen. Also von daher, finde ich, ist das auch ein wichtiger Punkt und dafür, muss ich auch sagen, halte ich es auch für nicht ganz so unwichtig, dass eben auch mindestens mal ab und zu, ich würde sogar sagen einmal im Monat, wo ist das Problem, eigentlich der gesamte Betriebsrat auch mit dem Arbeitgeber zusammenkommt. Man muss auch mal mitbekommen, auch als Betriebsratsmitglied, nicht nur freigestellt und Vorsitzender, sondern auch als Betriebsratsmitglied, wenn ich es mal so sagen darf, aus der zweiten Reihe, wie tickt der Arbeitgeber, wie argumentiert der Arbeitgeber, weil du ja praktisch auch ein Gremiumsmitlgied bist und genauso in der Öffentlichkeit angesprochen wirst und dergleichen mehr. Vielleicht magst du noch etwas mal sagen, wer eigentlich an diesen Gesprächen teilnehmen kann, teilnehmen sollte und wie dein Blick auf die Zusammensetzung dieser Runden ist.
Katja Birkholz:
Ja, gerne. Also haben wir ja vorhin schon kurz draufgeschaut, dass der Arbeitgeber entweder selbst teilnimmt oder sich vertreten lassen soll durch Personen mit entsprechender Sachkenntnis und von Betriebsratsseite aus kann das ganze Gremium teilnehmen, wenn der Betriebsrat nicht vorher beschlossen hat, dass diese Aufgabe in einen bestimmten Ausschuss delegiert werden soll. Es nehmen aber natürlich auch Vertreter teil, zum Beispiel aus der SBV oder aus der JAV oder Gewerkschaftsvertreter können teilnehmen oder vielleicht sogar Vertreter des Arbeitgeberverbandes.
Marco Nörenberg:
Ja, da ist eben die Situation so, auf Gewerkschaften und Arbeitgeberverbanden müsste man sich verständigen. SBV hat natürlich immer ein Teilnahmerecht und die JAV auch bei den Themen, wo es um jugendliche Arbeitnehmer geht. Ein Thema, was ein bisschen auch ein Grenzfall ist, ist die Frage, wie geht man beispielsweise mit Leitenden Angestellten um. Die haben ja auch einen Sprecherausschuss in aller Regel, der hat kein originäres Teilnahmerecht und das heißt also im Grunde genommen, da müsste man sich schon darauf verständigen. Das ist so auch so eine Sache mit den Leitenden, genauso eigentlich wie mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Die haben eigentlich keinen natürlichen Sitz in dieser Runde, sondern eigentlich ist es eine Runde zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und dann in der Regel auch den gesamten Betriebsrat, die SBV natürlich gleich mit, beziehungsweise die JAV, aber eigentlich sollen da diese Themen besprochen werden. Aber es kann natürlich auch mal sein, dass da Themen auf der Agenda stehen, wie beispielsweise die Umsetzung einer neuen tarifvertraglichen Vergütungsordnung und dann ist es durchaus auch sinnvoll, wenn in solchen Runden dann Arbeitgeberverbandsvertreter
und Gewerkschaftsvertreter dabei sind, um eben zu gucken, wie transportiere ich meinetwegen neue Eingruppierungsvorgaben in die betriebliche Realität. Dann hast du auch gleich diejenigen dabei, die dazu was beitragen können. Aber vom Grunde her ist es glaube ich tatsächlich eine Veranstaltung, die innerhalb des Betriebs oder des Unternehmens stattfindet.
Katja Birkholz:
Genau, also wir sprechen ja jetzt ganz lange über den Fall, dass der Arbeitgeber vielleicht nicht teilnehmen möchte, aber vielleicht gibt es ja auch den umgekehrten Fall, dass Betriebsräte sagen, wo ist eigentlich mein Mehrwert, was für Themen bespreche ich da überhaupt und für diese Gruppe habe ich mal ein bisschen mich im Internet umgeschaut und habe wirklich wirklich lange Listen gefunden mit teilweise bis zu 70 Themen, die man da ansprechen kann. Aber ich habe mal ein paar rausgepickt und würde mal ein paar Beispiele nennen wollen. Man kann auf aktuelle Anfragen aus der Belegschaft eingeben, also natürlich sind die immer anonymisiert, solange wie der betreffende Kollege oder die Kollegin das so gerne möchte. Man kann aber auch die Arbeitssicherheit thematisieren und den Gesundheitsschutz oder du hast gerade das Stichwort Betriebsvereinbarung genannt. Bei Betriebsvereinbarung habe ich mal zwei Beispiele rausgepickt. Man könnte über Urlaubsansprüche sprechen oder über die Arbeitszeitausgestaltung zum Beispiel. Weitere Themen könnten die betriebliche Altersvorsorge sein oder Grundsätze zur Gleichbehandlung der Geschlechter. Man kann aber auch über Lohn- und Gehaltslisten sich austauschen, über die Personalplanung ganz allgemein oder über den Umweltschutz.
Marco Nörenberg:
Ich denke auch, es ist immer wichtig für Betriebsräte sich auch solche Runden vorzubereiten. Das heißt also nicht erstmal reingehen und gucken, was passiert, sondern da finden ja tatsächlich nach dem Wortlauf von §74 beispielsweise solche Themen, wie du sie gerade angesprochen hast, auch im Zweifel sogar Verhandlungen statt. Da ist es natürlich erstmal ganz generell sinnvoll, dass du diese 74er-Runden inhaltlich strategisch vorbereitest im Betriebsrat. Das heißt, dass ich vom Grunde her immer empfehle, mindestens vor solchen Runden einmal zu gucken, was habe ich auf der Tagesordnung, was steht auf der Agenda. Die kann man natürlich mit dem Arbeitgeber auch durchaus vorher abstimmen. Das müsste nicht der gesamte Betriebsrat machen, das kann meinetwegen der Vorsitzende machen, um mal zu gucken, über welche Themen wollen wir dort reden. Wenn man solche Themen hat, wie du sie dort beschreibst, kann man sich aucg Fragenkataloge überlegen. Das heißt, was wollen wir dort eigentlich alles fragen, was wollen wir ansprechen. Dazu gehört natürlich auch ein bisschen Taktik, das kann man sich auch überlegen. Das heißt, wer spricht was an, in welcher Tonalität. Auch wenn Verhandlungen stattfinden, dann sind es ja auch immer eine Frage, wie kommst du am besten zum Verhandlungserfolg. Ich hatte beim letzten Mal schon gesagt, glaube ich, dass ich wirklich drauf und dran bin, ein bisschen mehr noch in dieses Thema einzusteigen. Das heißt, wie gehe ich optimal in solche Verhandlungen rein, dergleichen mehr. Aber dazu brauchst du natürlich auch eine Kenntnis über deine Rechte. Das ist auch schwierig, finde ich, immer wenn du als Betriebsrat dich mit dem Arbeitgeber zusammensetzt und gar nicht genau weißt,
kann ich mich hier in dieser Frage überhaupt durchsetzen oder, bin ich auf goodwill des Arbeitgebers angewiesen. Also viele Punkte, von denen du angesprochen hast, unterliegen wirklich knackharter Mitbestimmung. Da kann ich auch ein bisschen auf den Putz hauen. Wenn ich allerdings keine Mitbestimmungsrechte habe, dann muss ich vielleicht ein bisschen, wie soll ich sagen, geschmeidiger argumentieren. Von daher ist es, finde ich, auch wichtig, sich im Betriebsrat auszutauschen. Auch deswegen, weil du ja überhaupt nicht ausschließen kannst, dass im Betriebsrat unterschiedliche Meinungen zu dem Thema sind. Und nichts wäre ja beknackter, als wenn du vorm Arbeitgeber auf einmal anfängst, dass sich einer aus dem Betriebsrat äußert und sagt, da habe ich aber eine völlig andere Meinung dazu, als das, was der Vorsitzende gerade gesagt hat. Also das ist kein, ich finde auch diese 74er-Gespräche, das ist kein Kleinkram. Wenn man sich da monatlich zusammensetzt, um über strittige Fragen zu verhandeln, wenn man es dann auch wirklich so macht, dann gehört dazu auch eine tiefe Rechtskenntnis für die Betriebsratsmitglieder, ein interner Ausgleich, der vorher stattfindet, damit man sich nicht vom Arbeitgeber die Köppe einhaut und natürlich auch eine Gesprächsvorbereitung mit Fragen und so weiter und so fort.
Katja Birkholz:
Ganz genau. Wie du auch angeschnitten hast, finde ich es auch wichtig, dass man nach der Vorbereitung, die ganz elementar ist aus meiner Sicht, dann auch vielleicht gleich
mitdenkt, welches Mitglied aus dem Gremium trägt denn welches Thema vor. Wenn der Vorsitzende die ganze Zeit alleine redet, entsteht schnell so ein Monolog und die Arbeitgeberseite könnte eventuell interpretieren, dass das Gremium stumm ist. Ja, und da gibt es bestimmt im Gremium immer Menschen, die sich damit wohlfühlen und sagen, das ist ja sowieso mein Herzensthema und deswegen möchte ich das auch bitte vortragen. Wenn dann Rückfragen entstehen, die man vielleicht im Detail nicht immer beantworten kann, ist ja wieder das ganze Gremium da und kann im Prinzip einspringen und kann auch auf Rückfragen antworten. Also keine Angst vor aktiver Ansprache, sondern sich trauen und Mut haben und Dinge vorbringen.
Marco Nörenberg:
Ganz im Gegenteil. Ich habe das auch schon in einigen Verhandlungen auch selbst erlebt und du brauchst auch immer jemanden. Ich habe ja selbst solche Gespräche und Verhandlungen oft als Vorsitzender von Betriebs-, Gesamt- und Konzernbetriebsregeln geführt. Letztlich ist es so, dann ist es auch gar nicht mal gut, wenn du als Vorsitzender die ganze Argumentation ins Feld führst oder so. Oftmals ist es so, dass du ja auch am Ende noch, wenn es sozusagen in Verhandlungen ein bisschen enger wird, bist du auch eine Eskalationsperson. Manchmal ist es ganz gut, wenn im Betriebsrat auch andere Personen das vortragen. Durchaus auch mal, wenn das ein bisschen knackiger vorgetragen wird. Du kannst ja als Vorsitzender dann auch ein bisschen wieder einsammeln oder sowas. Aber es muss für den Arbeitgeber schon offensichtlich werden, dass es nicht reicht, mit dir als Vorsitzenden klarzukommen, sondern dass hinter dir auch im Betriebsrat eine ganze Reihe von Leuten sind, die Erwartungen an das Ergebnis haben. Da kann das schon mal
sein, dass der Eine oder Andere mal auch ein bisschen auf den Putz haut und sagt, das kann wohl nicht sein, das und das und das. Dann kannst du das konstruktiv irgendwie weiter
vorantreiben. Man muss natürlich auch in diesen Runden konstruktiv bleiben. Aber wichtig ist eben auch, dass du eben auch dem Arbeitgeber in solchen Runden auch deutlich machst, dass der Betriebsrat keine One-Man- oder One-Woman-Show ist oder sowas, sondern dass da ein ganzer Kreis hinter steht und dass es eben auch nötig ist, auch Betriebsratsmitglieder zu überzeugen.Von daher ist es gar nicht so schlecht, wenn der Eine oder Andere auch mal ein bisschen sagt, also das finde ich jetzt nicht so gut. Sollte natürlich nicht völlig unabgestimmt sein, aber vom Grunde her dann auch ein Thema.
Vielleicht ist das sogar ein ganz guter Schnittpunkt, Katja, um überzuleiten auf das Thema vertrauensvolle Zusammenarbeit insgesamt. Denn hier geht es ja in §74 nicht nur um diese Monatsgespräche, sondern auch um die Frage, wie ist es eigentlich mit der Stellung der Parteien, meinetwegen wenn es um Arbeitskampf, Streiks und sowas geht. Wie ist es mit parteipolitischer Betätigung und gewerkschaftlicher Betätigung im Betrieb? Vielleicht kannst du uns da so ein bisschen ins Brot holen, wie da die Gefechtslage ist.
Katja Birkholz:
Ja, gerne. Du spielst an auf den Absatz 2 in § 74 unter der Überschrift Friedenspflicht. Also das sagt alleine ja schon ganz viel aus. Im Prinzip geht aus dem Absatz hervor, dass Arbeitgeber und auch Betriebsrat Maßnahmen des Arbeitskampfes nicht ergreifen dürfen. Also wir unterliegen einer gewissen Friedenspflicht, wenn es um den Arbeitsablauf im Betrieb geht und den Betriebsfrieden. Also wir dürfen keine parteipolitische Betätigung im Betrieb unternehmen.
Marco Nörenberg:
Wir haben ja auch die Situation beispielsweise, jetzt finden ganz viele Arbeitskämpfe statt. Da wird gestreikt, was das Zeug hergibt, meinetwegen im öffentlichen Dienst etwas weniger. Das ist ja erledigt, aber hier im Bereich der Bahn, da wird gestreikt und da kommen natürlich auch Betriebsräte schnell in die Situation, was mache ich eigentlich bei so einem Streik? Dazu habe ich übrigens tatsächlich eine eigene Podcast-Folge veröffentlicht, was bedürfen Betriebsräte beim Streiken und was nicht. Aber wichtig ist, finde ich, für alle, die das jetzt vielleicht noch zum ersten Mal sich dem Thema nähern, dass du als Betriebsrat eben nicht dem Arbeitgeber hier irgendwie persönlich attackieren darfst, ihn denunzieren darfst, also mit anderen Worten oder auch womöglich sogar die Beschäftigten aufrufen, hier langsamer zu arbeiten, gar nicht zu arbeiten. Also solche Sachen wie Arbeitskampf sind Sache der Angelegenheit der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände dann. Andererseits auch der Arbeitgeber ist ja auch dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Er darf nicht sagen, ach, der scheiß Betriebsrat, der blockiert hier alles und mit diesen Leuten kann man überhaupt nicht klarkommen, das sind windige Typen. Also ich weiß nicht, ob du das gesehen hast, da gab es ja letztens tatsächlich dieses Video von dem Trigema Chef Grupp, der gesagt hat, ich habe das mal veröffentlicht, da kann man sich echt nur
den Kopf packen und für mich ist das tatsächlich auch im Bereich Straftatbestand, was der Typ da gemacht hat. Wenngleich ich den in vielerlei Hinsicht gar nicht so schlecht finde, aber den Blick auf die Betriebsräte ist eine Katastrophe. Da sagt er, bei uns sind nur Betriebsräte, die zu Hause nichts zu melden haben, weil die hier auch mal auf den Putz hauen wollen und die richtig guten Leute, die finden den Betriebsrat scheiße, die würden das niemals mit sich machen lassen. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob das noch irgendwas mit vertrauensvoller Zusammenarbeit zu tun hat.
Das heißt, beide Seiten müssen sich da zusammenraufen, was aber nicht heißt, dass du als
ganz normale Arbeitnehmer nicht auch dich gewerkschaftlich betätigen darfst. Das heißt, du darfst schon auch während der Arbeitszeit, auch während deiner und während der vom Kollegen, du darfst mit denen über Gewerkschaftsmitgliedschaften sprechen. Du darfst halt nur nicht als Betriebsrat zum Streik aufrufen oder hier ganz offensichtlich missbräuchlich deine Amt ausüben. Von daher, finde ich, sind das auch immer Chancen. Diese 74er-Gespräche und diese vertrauensvolle Zusammenarbeit, wenn das nur alles überall und immer vernünftig gelebt werden würde, ich
glaube, dann gäbe es an der einen oder anderen Stelle vielleicht weniger Konflikte.
Ja, Katja, vom Grunde her würde ich sagen, haben wir die Punkte tatsächlich auch so weit durchgesprochen, die sich um § 74 ranken. Natürlich gibt es immer noch weitere Verästelungen, und ich würde vielleicht auch auf die eine oder andere Frage von den Betriebsräten, die sich das anschauen, hier ankommen lassen. Für heute würde ich sagen, können wir da einen Haken dran machen an dem § 74 Betriebsverfassungsgesetz. Mir hat es großen Spaß gemacht, Katja, mit dir mal wieder über so ein Thema zu plaudern. Von daher würde ich sagen, viele liebe Grüße nach Berlin.
Katja Birkholz:
Ja, mir hat es auch total Spaß gemacht und ich bin sehr gespannt auf die Rückmeldung,
die wir bekommen werden. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst gerne eine 5-Sterne-Bewertung da. Ihr wollt keine neue Ausgabe mehr verpassen, dann klickt auf Folgen bei Spotify, bei Apple Podcast, bei Castbox oder bei Overcast. Auf der Website 360gradbr.de findet ihr übrigens alle Folgen zum Nachhören und das gesamte Angebot von 360grad Betriebsrat.
Marco Nörenberg:
Jawohl, Katja. Alles Gute, hat Spaß gemacht. Tschüss nach Berlin. Katja Birkholz: Tschüss, Marco.
#Betriebsrat #360GradBR #Monatsgespräch #Verhandlungen #vertrauensvollezusammenarbeit
Nutzungsbedingungen
Abonnieren
Report absenden
My comments