Marco Nörenberg:
Ja, hallo und herzlich willkommen zu einer echten Premiere, denn 360 Grad Betriebsrat, Podcast, das kennt man, Interviews haben wir auch schon gemacht, aber heute, heute haben wir eine echte Diskussionsrunde zu einem sehr, sehr wichtigen Thema, das das auch hergibt. Heute geht es um das Thema gleichberechtigte Frauen in der Wirtschaft. Eigentlich ist es natürlich ein Jammer, dass man sich heute im 21. Jahrhundert über diese Frage immer noch unterhalten muss. Aber wir reden über Fakten, auch im Jahr 2022. Es gibt einen aktuellen Gender Gap Report des Welt Economic Forum. Da ist es so, dass wir im Ländervergleich als Deutschland nicht allzu gut abschneiden. Auf Platz 105 von 146 sind wir, was das Thema angeht. Nur 28 Prozent der Führungskräfte hierzulande sind Frauen. Und dieses Gender Pay Gap, das verkleinert sich nur sehr, sehr langsam. Wenn man es auf den Globus betrachtet, auf die Weltwirtschaft, dann dauert es 132 Jahre, bis zur globalen Gleichstellung von Männern und Frauen, wenn man das Tempo berücksichtigt, was jetzt im Moment gerade vonstatten geht. Das ist natürlich ein echtes Thema. Es gibt viele Facetten, um über das Thema Frauen, Gleichberechtigung in der Wirtschaft zu sprechen. Aber wir wollen heute hier, allesamt Betriebsräte, die wir sind, wollen wir über das Thema reden, was können eigentlich wir Betriebsräte tun, um im Rahmen unserer Einflussnahmemöglichkeiten, in unserem Einwirkungsbereich dazu beizutragen, dass Frauen gleichberechtigt an der Wirtschaft teilhaben können.
Antje Herber:
Ja, hallo zusammen. Mein Name ist Antje Herber. Ich bin freigestellte Betriebsrätin bei der Ergo am Standort Hamburg und bin zuständig für die Themen Gleichstellung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich betreue auch den Innendienst der Geschäftsstellen der Ergo Pro. Marco, in der Tat, es ist so, Frauen werden immer noch viel, viel schlechter bezahlt als Männer. Ich kann euch von einem Fall kürzlich berichten. Da war eine Mathematikerin bei mir und sie sagte, sie hat seit längerem keine Gehaltserhöhung mehr bekommen und hat so das Gefühl, ihr männlicher Kollege verdient
erheblich mehr, obwohl er die gleiche Tätigkeit, die gleiche Betriebszugehörigkeit und die gleichen Aufgaben wie sie durchführt. Das habe ich dann natürlich mal nachgeguckt und das haben wir geprüft. In der Tat verdiente sie 500 Euro weniger als der männliche Kollege. Hier bin ich dann auf den Abteilungsleiter zugegangen und habe gesagt, na ja, mir ist aufgefallen, hier ist ein Fehler unterlaufen, denn im Rahmen der Gleichbehandlung verdient hier Kollegin XY viel weniger als der Kollege Z. Und das bei gleicher Tätigkeit, Betriebszugehörigkeit und das geht ja nun gar nicht. Also ich denke mal, da ist ein Fehler unterlaufen, da müssen wir was unternehmen und das müsste geändert werden. Der drückte dann so ein bisschen rum und nun will er ja auch nicht, dass das öffentlich auf Betriebsversammlungen erwähnt wird. Ganz im Gegenteil. Und so hat er dann schnell auch etwas unternommen. Die Kollegin bekommt jetzt das gleiche Gehalt, aber erst danach wie ihr männlicher Kollege.
Marco Nörenberg:
Nun hat sich die Kollegin, Antje, ja an dich gewandt. Das ist ja natürlich, ich sage mal, wirklich toll, wenn man da auch dann Initiativ werden kann. Aber ich glaube, viele Kolleginnen und Kollegen, da gibt es ja wahrscheinlich auch eine sehr, sehr hohe Dunkelziffer. Also die, die das dann nicht den Weg zum Betriebsrat suchen. Ich würde an der Stelle gerne, Brigitte, dich mal in die Diskussion mit reinholen. Nun ist es ja so, dass wir uns in Deutschland eigentlich über eine moderne und eine liberale Wirtschaft unterhalten. Da sollte man ja eigentlich annehmen, dass es in den Unternehmen selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleich behandelt werden, was die Bezahlung angeht. Wie ist dein Blick auf das Thema?
Brigitte Betensted:
Ja, also erst auch nochmal Hallo von mir. Brigitte Betensted, DPV, das sagt vielleicht nicht vielen etwas. Das ist schlicht und ergreifend die Vertriebstochter vom Verlagshaus Gruner und Jahr.
Und das ist in etwa direkt gegenüber in Sichtweite von dem schönen Gebäude, das hinter Marco zu sehen ist, in Hamburg. Beziehungsweise heute steht nicht mehr Gruner und Jahr an dem Gebäude, sondern RTL zu dem Medienunternehmen gehören wir seit Anfang des Jahres. Medienunternehmen, da sollte man auch denken, na ja, progressiv und fortschrittlich. Aber tatsächlich haben auch wir als Betriebsräte immer wieder Fälle, wo wir auf ungerechte oder ungleiche Bezahlung stoßen. Kolleginnen, ähnlich wie der Fall, der eben schon geschildert wurde, die kommen auf uns zu und fragen. Und wir müssen das leider immer wieder feststellen, dass es eben auch in unseren Unternehmen da zu Ungleichbehandlungen kommt. Was wir da tun können, ich denke, da kommen wir später noch drauf.
Marco Nörenberg:
Wir müssen uns ja auch gleich, wenn wir einmal die Bestandsaufnahme kurz gemacht haben, auch einmal darüber unterhalten, was können wir Betriebsräte eigentlich tun? Antje hat ja einen Punkt angedeutet, da wird es noch den einen oder anderen Punkt mehr geben, den Betriebsräte tun können. Sonja, oftmals wird ja auch gesagt, dass es, wenn überhaupt, zu Gehaltsunterschieden deswegen kommt, weil vielleicht Männer insgesamt im Zuge auch von solchen Gehaltsverhandlungen rücksichtsloser agieren oder insgesamt sich anders darstellen, verkaufen. Wie ist dein Blick auf dieses Thema? Vielleicht ein paar Worte zu dir selbst.
Sonja Heine:
Ja, es ist immer schwierig, wenn man dann eigentlich von einer schönen Frage erst mal auf sich kommen soll. Mein Name ist Sonja Heine. Ich bin Betriebsratsvorsitzende der Renault Deutschland AG. Wir sind in Deutschland eine Vertriebsgesellschaft. Das heißt, die Autos basteln wir nicht hier
zusammen, sondern wir sind diejenigen, die sich darum kümmern, dass wir den Absatzmarkt Deutschland bearbeiten, haben hier allerdings auch ein Ersatzteile-Lager. Von daher ist die Belegschaft schon etwas heterogen. Ja, ganz grundsätzlich, du hast ja gesagt, vielleicht sind die Männer tougher im Verhandeln oder haben ein anderes Auftreten oder profitieren vielleicht sogar davon, dass auch die personelle Abteilungen von Männern besetzt sind und man sich da einfach irgendwie besser versteht.
Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass die weiblichen Kolleginnen bei Gehaltsverhandlungen immer erst mal den Verdacht haben, dass sie schlecht verhandelt haben. Also wenn sie gesetzte Ziele, die sie so für sich beschlossen haben, nicht erreichen, dann habe ich das doch schon einige Male gehabt, dass die Kolleginnen bei mir im Büro stehen und sagen, meine Güte, aber der hat das und das gesagt, das hätte der mit einem Mann nicht gemacht, das kann doch nicht sein. Unterstützt wird das mit Sicherheit dadurch. Du hast das eben angesprochen, das geht ja doch auch immer sehr durch die Medien, wie viel Gender-Pay-Gap wir haben. Und ich muss sagen, die 132 Jahre, die wir jetzt noch warten müssen, bis das Problem vom Tisch ist, die habe ich jetzt selbst auch nicht ganz auf dem Schirm. Die Kolleginnen haben wirklich einfach immer den Verdacht, es funktioniert nicht.
Wir haben jetzt bei uns im Unternehmen die Situation ganz grundsätzlich, dass wir die unterschiedlichen Aufgaben, die unterschiedlichen Positionen, die sind Gehaltsbändern zugeordnet, sodass man innerhalb dieser Gehaltsbänder halt schon so ein bisschen Leitplanken hat, wo man sich dann selbst sieht mit dem Hintergrundwissen, wie viel Erfahrung bringe ich mit, wie lange bin ich auf dem Job, ist das etwas Neues? Gleichzeitig gibt es aber auch die Erfahrung, dass man so ernstzunehmende Gehaltsverhandlungen innerhalb des gleichen Jobs nicht so richtig gut führen kann, sondern dass immer bei einem Jobwechsel etwas ist, was man als Hebel ansetzen kann. Wir haben gesagt, wir kommen gleich noch mal zu den Ideen, die wir so als Betriebsräte hatten. Also bei mir ist es jetzt tatsächlich in der Erfahrung so, dass ich weniger Einzelfallüberlegungen oder Nacharbeiten hatte. Da sind die Kolleginnen eher so, dass sie sich so ein bisschen anlehnen, wir das mit den Gehaltsbändern noch mal besprechen, und sie sich selbst ein Bild machen und sich überlegen, wie sie loslaufen. Wir haben aber als Betriebsrat überlegt, was können wir denn kollektiv machen? Deshalb, da wäre vielleicht noch eine Idee für die Sache, was Betriebsräte eigentlich so anstellen können, um da ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen.
Marco Nörenberg:
Ja, wunderbar. Vielen Dank, Sonja, für den ersten Einwurf. Jetzt komme ich zu dir, Dennis, denn da muss ich ja noch ein Wort mehr darüber verlieren. Ich hatte ja, als ich diese Runde, wenn ich es mal so sagen darf, zusammengestellt habe, bin ich einfach ganz kühn auf den einen oder anderen Kontakt zugegangen, den ich über meine Social-Media-Kanäle habe. Ich habe da festgestellt, dass es bei den weiblichen Betriebsräten, also bei den Kolleginnen, doch eine, wie soll ich sagen, eine größere Resonanz gegeben hat, über dieses Thema zu sprechen, als bei dem einen oder anderen männlichen Kollegen. Du bist da natürlich, wie soll ich sagen, jetzt der Hahn im Korb, hätte ich fast gesagt, und hast dich hier also heldenhaft in dieser Diskussion dazugesellt. Siemens ist ja auch ein Riesenunternehmen, muss man sagen, nicht nur in Erlangen, sondern ja weltweit. Da spielt natürlich so ein Thema wahrscheinlich auch eine große Rolle. Wie ist dein Blick auf das Thema, gleich nachdem du ein paar Worte auch zu dir gesagt hast?
Dennis Bochow:
Ja, vielleicht war es so, ich fühle mich nicht als Held. Ich bin auch nicht der Hahn im Korb, aber ich bin sicherlich der Quotenmann. Ich habe mal vor 35 Jahren bei Siemens in Hamburg angefangen.In Thüringen habe ich dann meine heutige Chefin kennengelernt, also Chefin privat. Die hat mich dann gezwungen, nach Bayern zu kommen. So kam ich dann hier nach Erlangen. Bin hier auch 2006 erstmalig in den Betriebsrat eingezogen. Bin aber auch parallel Führungskraft. Also ich bin nicht nur Betriebsrat, sondern ich bin auch Führungskraft. Das schon seit 23 Jahren. Und gucke somit mit zwei Brillen auf das Thema. Ich traue es mich fast gar nicht zu sagen, aber hier bei Siemens Erlangen werden Männer und Frauen bezogen auf die Funktion schon tatsächlich gleich bezahlt. Was ja positiv ist. Trotzdem verdienen natürlich die Männer hier am Standort deutlich mehr als die Frauen. Woran liegt das? Der Frauenanteil bei uns beträgt 38%. Aber was akquirieren, rekrutieren wir im Wesentlichen? Das sind ja Elektrotechnikstudenten. Da ist der Anteil bei den Frauen, wenn sie das Studium beginnen, ungefähr 18%. Wenn wir zu den Abschlüssen kommen, dann sind es da noch 14% Frauen, aber 86% Männer. Wenn wir natürlich einstellen, dann ergibt sich ganz natürlich, dass wir einen Überschuss an Männern haben. Hier am Standort haben wir eine Studiertenquote von 75%. Die meisten sind halt nun mal Männer. Daraus kommt der Unterschied natürlich dann auch zum Tragen.
Marco Nörenberg:
Die Frage ist ja ohnehin, wenn wir uns über das Thema Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen unterhalten, wie viel davon ist strukturell und wie viel ist davon individuell? Ich glaube, da gehen die Grenzen auch ineinander über. Ich glaube, selbst wenn man sich in einem Bereich befindet, in dem meinetwegen tarifvertraglich bezahlt wird, wo man ja sagt, da kann es eigentlich gar keine strukturellen Unterschiede geben, weil tätigkeitsbezogene Bezahlung ist tätigkeitsbezogene Bezahlung. Da wird man trotzdem feststellen, dass auch in solchen Häusern es teilweise solche Unterschiede gibt, wie die, die meinetwegen Antje gerade geschildert hat. Vielleicht, Brigitte, um das Thema mal aufzugreifen, wie kommt man eigentlich daran, an die Erkenntnis darüber, ob das solche Unterschiede gibt oder nicht? Ich meine jetzt als Betriebsrat, nicht als unmittelbar betroffene Person oder Kollegin, sondern was können wir Betriebsräte tun,
um da so einen Griff dran zu kriegen? Gibt es da eine Benachteiligung, gibt es da keine?
Brigitte Betensted:
Ja, im Grunde genommen hat uns ja erstmal der Gesetzgeber, also nicht nur den Hebel in die Hand gegeben, sondern mit dem §80 Betriebsverfassungsgesetz eigentlich auch die Aufgabe und die Pflicht, uns eben um eine Gleichstellung von Männern und Frauen zu kümmern und darauf ein Auge zu haben. Das machen wir und ich denke viele andere Gremien auch, indem wir Gehaltseinsicht vornehmen. Das ist unser Recht. Wir können also in die Gehaltslisten schauen und können da Vergleiche anstellen und wissen ja meistens auch gut oder haben wirklich ein Auge dafür, wo da Diskrepanzen sind und wo man dann tatsächlich nachfragen muss.
Marco Nörenberg:
Das heißt, ihr schaut da auch gezielt nach?
Brigitte Betensted:
Ja, das machen wir regelmäßig. Also einmal im Jahr grundsätzlich nehmen wir die Gehaltseinsicht und Einsicht in Sonderzahlungen und klären dann alles, was uns auffällt. Manchmal gibt es auch eine plausible Erklärung natürlich für Ungleichheiten, aber manches Mal eben auch nicht.
Marco Nörenberg:
Das ist ja praktisch, dass aus eigener Initiative sich heranziehen der unterschiedlichen Gehaltslisten, die man sich nach § 80 Absatz 2 anschauen kann. Dennis, uns kommen die Kolleginnen und Kollegen noch zu einem anderen Zeitpunkt vor die Flinte. Bei der Einstellung. Das wäre ja auch einer der möglichen Hebel.
Dennis Bochow:
Richtig, ja. Aber wie gesagt, bei uns ist die Welt dort vergleichsweise in Ordnung, wenn ich auf die Funktionen schaue. Natürlich ist es so, dass der Anteil der männlichen Führungskräfte deutlich höher ist. Was auch geschildert ist, aufgrund dieser Studienraten, 14 Prozent im Abschluss, kommen ja leider kaum Frauen an. Deswegen müssten wir eigentlich früher ansetzen, wenn wir strukturell etwas ändern wollen. Die Problemlösung liegt nicht im Unternehmen selber. Wir müssen vorher schon gucken. Das fängt ja in der Politik an. Der Frauenanteil in Deutschland liegt bei 51 Prozent und im Deutschen Bundestag sitzen aber nur 36 Prozent. Da fängt das Problem doch schon an. Das können wir heute Abend natürlich nicht lösen. Aber auch Siemens oder auch andere Firmen können etwas tun, es strukturell zu ändern. Wir müssen auch unsere Stellenausschreibung ändern. Das machen wir auch gerade. Wir schauen darauf, dass wir die Texte so gestalten, dass sich auch Frauen eher angesprochen fühlen. Dass wir auf Kinderbetreuungsmöglichkeiten hinweisen. Das hat es früher gar nicht gegeben. Die Möglichkeiten schon, aber nicht, dass wir darauf hinweisen, damit wir auch mehr Frauen anziehen. Attraktiver sind für die, damit überhaupt welche zu uns kommen.
Marco Nörenberg:
Ja, meine eine Möglichkeit wäre ja auch nach 99 bei der Einstellung auch die Eingruppierung mal kritisch aufzugreifen. Vielleicht, wenn man es auch in Verbindung sieht mit dem, was Brigitte gesagt hat. Ich sehe die unterschiedlichen Gehaltsbänder und dann kann ich natürlich auch schon, wenn mir ein Personalvorgang als Betriebsrat nach 99 vorgelegt wird, auch schauen, passt das eigentlich in die Gehaltsgruppen so insgesamt rein? Oder ist das vielleicht etwas, wo man schon erkennt, dass da vielleicht noch ein Euro oder mehr fehlt? Da kann man ja auch teilweise...
Dennis Bochow:
Da denke ich, da sind wir einigermaßen sauber. Also auch bei den Anfängern, dass das passt. Da sehe ich das Problem bei uns nicht.
Marco Nörenberg:
Sonja, du hattest eben in deinem ersten Statement so das Thema Gehaltsbänder mal so erwähnt. Da würde ich gerne ein bisschen mal nachfragen und mal vielleicht auch in Erfahrung bringen wollen, wie ihr das als Betriebsrat konkret gehandhabt habt. Sind das irgendwelche mitbestimmten Entgeltrichtlinien oder ist das irgendetwas, was das Unternehmen nur anwendet? Wie ist da der Prozess und was tut ihr da als Betriebsrat?
Sonja Heine:
Ja, das sind tatsächlich mitbestimmte Gehaltsbänder, die eingeführt worden sind für alle Kolleginnen und Kollegen, die außertariflich in dem Unternehmen arbeiten. Da muss ich zugeben, die sind also alt genug hergebracht, dass ich die jetzt nicht maßgeblich verhandelt habe, sondern ich bin deutlich später in den Betriebsrat gekommen. Das sind Bänder, die sich auch, wenn man so einem Konzern zugehörig ist, dann natürlich auch so ein bisschen innerhalb des Konzerns organisieren, einfach von der Nomenklatur schon. Also die klingen wie ein Bestellcode von einer Baureihe oder einem Farbcode bei einem Auto, also nicht besonders sexy so vom Namen her. Aber diese Kodierung führt gleichzeitig zu einer hierarchischen Einordnung. Diese
Hierarchiebezeichnungen werden dann quasi diesen einzelnen Gehaltsbändern zugeordnet. Und so wie das eben auch schon ausgeführt worden ist, wenn X oder Y ausgeschrieben wird oder da eine Position besetzt wird mit einer Kolleginnen oder einem Kollegen, dann wird immer direkt auch angegeben, in welchem Gehaltsband das ist. Man kann das dann über die Tätigkeitsbeschreibung eigentlich ganz gut zuordnen. Das heißt also, das ist, sag ich mal, der grundsätzliche Rahmen,
in dem wir uns bewegen. Dadurch, dass halt trotzdem immer so ein bisschen das Gefühl ist, Gehaltsband bedeutet ja, dass man eine bestimmte Varianz innerhalb eines Korridors möglich macht.
Wenn doch das subjektive Empfinden immer ist, naja, dann sind die Frauen wahrscheinlich eher am unteren Ende und die Männer eher am oberen. Dann kommen wir ungefähr zu dem Gap, das wir immer in der Zeitung lesen. Das ist etwas, was uns so ein bisschen belastet hat im Betriebsrat, wo wir überlegt haben, was können wir tun, um über das hinauszugehen, was die Brigritte eben sagte, dass man eben, sag ich mal, sich Fälle anguckt oder vielleicht auch Bereiche anguckt und da einfach einmal die Herren gegen die Damen stellt und sich guckt wieder, wie sich das so verhält. Wir haben versucht, das so ein bisschen generalistischer zu machen, weil wir auch gesagt haben, das ist eine Zeit lang so massiv gewesen im Gefühl der Kolleginnen, dass wir gesagt haben, wir müssen irgendwas mal haben, was wir zeigen können. So jetzt kann man natürlich keine Gehaltslisten zeigen, das ist auch klar. Und dann haben wir uns überlegt, wie können wir denn innerhalb dieser Gehaltsbänder uns angucken? Bei jedem Einzelnen, wie stehen denn da die Herren gegen die Damen in der Bezahlung? Und um da so ein bisschen was, also wir wollten es jetzt nicht hochwissenschaftlich mit einer Verteilungskurve oder sonst irgendwie was machen, sondern wir haben gesagt, wir nehmen uns einfach probant vor, wo ist der Median, also der Mittelwert, was ist Minimum und Maximum? Und das haben wir sowohl für die Herren als auch für die Damen auswerten lassen. Und haben gesagt, naja, jetzt einfach nur Männer gegen Frauen stellen. Wir haben das eben ja auch von Dennis gehört, dann hat das auch was damit zu tun, wie viel habe ich denn wovon? Es kann ja sein, dass bei bestimmten Tätigkeiten die Herren eher die Studierten sind und die Damen eher die Nicht-Studierten, sondern die über Lehrberufe gekommen sind, dass man das einfach irgendwie so ein bisschen dem Rechnung tragen kann.
Und wir haben gesagt, ein zweiter Einflussfaktor ist einfach Berufskenntnis. Also wie viel Erfahrung bringe ich denn eigentlich mit für einen bestimmten Job? Und wir haben gesagt, okay, jetzt kann man Erfahrung ein bisschen schlecht abbilden und haben das Alter dagegen gesetzt. Und wir haben halt festgestellt, wenn man sich das genau anguckt, dass tatsächlich immer da bei den Gehaltsbändern, je nachdem welches Geschlecht einen höheren Altersdurchschnitt hatte, und wir haben tatsächlich auch ein Gehaltsband, wo die Damen die ältere Fraktion waren, immer diejenigen mit mehr Berufserfahrung, wie gesagt über das Alter so ein bisschen abgegriffen. Das waren auch die, wo dann sowohl der Durchschnitt als auch das Maximum und das Minimum, das real, also jetzt abweichend von irgendwelchen Gehaltsbändern, was real gezahlt wird, das hat dazu gepasst. Das hat tatsächlich, nachdem wir das vorgestellt hatten mal in der Betriebsversammlung, so ein bisschen für Befriedung gesorgt, für Beruhigung, dass es also eine Korrelation mit etwas gibt, was nicht Geschlecht ist. Ich muss sagen, das hat mich auch sehr für unser Unternehmen gefreut, dass wir so funktionieren, dass das also tatsächlich zusammenpasst. Und dann muss man auch sagen, es ist für uns als Betriebsrat natürlich etwas einfacher, so etwas vorzustellen. Der Geschäftsleitung, der wird jetzt grundsätzlich nicht unbedingt der Verdacht unterstellt, dass es, ihr wisst, was ich meine. Also es ist, sag ich mal, Objektivität, die wird uns eher zugeordnet oder halt, sag ich mal, dass man der richtigen Seite angehört. Aber in dem Fall haben wir wirklich super mit der Geschäftsleitung zusammengearbeitet und haben uns sehr über das Resultat gefreut. Also das heißt nicht, dass Einzelfälle dann nicht doch irgendwie Schieflage haben.
Marco Nörenberg:
Wir tragen ja auch gerade so ein bisschen betriebsrätliches Wissen zusammen an Stellen, wo es gut läuft oder beziehungsweise wo wir auch schon positive Erfahrungen gemacht haben durch die Vergangenheit. Da haben wir jetzt schon einige Ideen zusammengetragen, wenn es um die Eingruppierung geht. Sei es beispielsweise die Eingruppierungseinsichtnahme durch den Betriebsrat nach §80 Betriebsverfassungsgesetz bis hin zur Frage der Anknüpfungspunkte. Antje hier beispielsweise, was das AGG angeht, über dann die Einstellungen oder die entsprechenden Richtlinien dafür. Wir haben aber ja auch den Punkt herausgearbeitet, dass es manchmal gar nicht so sehr die Bezahlung in der gleichen Ebene ist, sondern dass wir auch feststellen, dass eine bestimmte Führungskarriere in allererster Linie dann vielleicht von Männern eher wahrgenommen wird, also diese sogenannte gläserne Decke nach oben. Und das führt mich zu unserer zweiten These und zu Nicole, die ich dann auch in diese Diskussion mit reinhole. Die zweite These ist, je weiter es in der Hierarchie nach oben geht, umso weniger Frauen werden berücksichtigt. Nicole, da vielleicht mal etwas ausführlicher, denn du hast eine besondere Geschichte, was deinen Einstieg in den Betriebsrat und dein Wirken da für das Thema Frauen angeht. Deswegen, Nicole, wenn du vielleicht das irgendwie ein bisschen miteinander verknüpfst, damit wir in diese zweite These einsteigen können.
Nicole Riggers:
Ja, gerne. Vielen Dank, Marco, und vielen Dank auch an meine Vorredner. Ich freue mich, dass ich hier die Gelegenheit habe, mich mit euch zu diesem wichtigen Thema austauschen zu dürfen. Ja, mein Weg, also du sagtest eben, Dennis, du wärst hier der Quotenmann. Ich bin eine echte Quotenfrau, denn ich bin über die Wahl 2010 bei der IKW, Deutsche Industriebank, hier in Düsseldorf eine, ja, die Quotenfrau gewesen, weil der 13. Mann meinetwegen weichen musste, weil wir ja die Minderheitenquote haben. Bis dato hatte ich mit dem Betriebsverfassungsgesetz überhaupt nichts am Hut und für mich war der Einzug in den Betriebsrat auch eher eine Überraschung. Dann bin ich Vorsitzende geworden, relativ zügig. Wir sind hier kulturhistorisch bedingt natürlich eine den Mittelstand finanzierende Bank, natürlich männerdominiert, ganz sachlogisch herleitbar, ohne jeden Vorwurf in diese Richtung, sondern das sind die Fakten gewesen. Dann habe ich mir natürlich schon, weil ich bin auch erstmals die erste Frau gewesen, die in der IKW ja die Vorsitzende war beim Betriebsrat, habe ich mir natürlich schon die Zahlen kommen lassen, wie ist die Führungsquote bei den Männern und den Frauen. Das war schon traurig, sage ich jetzt mal, auch wenn es sachlogische Konsequenzen aus der Kulturhistorie waren. Das nur mal kurz dazu.
Was haben wir gemacht? Also erstmal haben wir gemacht, dass ich überlegt habe mit den Frauen, die mich angesprochen haben, da kamen natürlich auch ein paar zum Thema Gehalt und so weiter, nur ich habe mich deshalb an dieser Diskussion nicht beteiligt, weil wir hier bei der Bank nicht solche Themen identifizieren konnten über die Einsichtnahme in die Gehaltslisten. Das war schon mal was sehr Schönes und sehr Beruhigendes für uns insgesamt. Aber was wir gemacht haben ist, wir mussten natürlich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir, um weiterhin wertschöpfend arbeiten zu können, auch viel diverser uns in der Führungsetage aufstellen. Die Herausforderung war natürlich da, dass wir uns permanent im Personalabbau befunden haben. Die IKB war ja in der Finanzkrise betroffen und dann ist es natürlich schwierig. Man muss Führungspositionen abbauen und gleichzeitig soll man Diversität dort reinbringen. Das ist eine echte Herausforderung. Was haben wir gemacht? Ich habe eine Fraueninitiative gegründet und habe damit mit vielen Frauen geschafft, dass wir Frauen visibel machen für die Bank insgesamt. Die Fraueninitiative
wurde 2014 im Januar von mir ins Leben gerufen und wir wachsen stetig. Wir können heute sagen, dass wir auf der Führungsebene unterhalb des Vorstandes schon einen schönen Zuwachs haben und
verzeichnen können. Über so etwas kann man natürlich den Frauen viel mehr Stärkung geben und aber auch die Männer zu Beteiligten machen. Das ist auf eine schöne, humorvolle und konstruktive Art mit dem Vorstand gelungen, weil wir den Vorstand sofort mit ins Boot genommen haben seinerzeit. Das ist natürlich schön, weil als wir das Vorgespräch hatten, Marco, habe ich damals zu dir gesagt, ich wundere mich eigentlich darüber, dass es eben in so vielen Unternehmen überhaupt nicht diskutiert wurde, weil dadurch, dass ich so grün hinter den Ohren war, was das Betriebsverfassungsgesetz betraf, hatte ich mich gewundert, weil es steht ja, es wurde von der Antje schon erwähnt, von der Brigitte schon erwähnt, von euch allen, es steht ja im 80 BetrVG drin unter Absatz 2a, wir sind für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, was auch die Entwicklung, also sprich den Aufstieg nach oben betrifft. Ich habe mir damals schon die riesengroße Frage gestellt, was machen eigentlich die Betriebsratsvorsitzende in den ganzen Unternehmen? Warum ist denn da der Status Quo, du hast vorhin von 123 Jahre, das werden wir alle nicht mehr erleben, das wäre todtraurig aus meiner Sicht, wenn das wirklich so langsam gehen würde. Gut, wir können uns dann nicht mehr darüber ärgern, weil wir dann schon längst aufgelöst sind, aber ich habe mir diese Frage wirklich sehr oft gestellt und habe da keine Antworten erhalten, außer vielleicht, dass man gerne im eigenen Saft brät, sage ich jetzt mal so ein bisschen salopp, auch ohne Vorwurf, weil das ist ja auch ein menschliches Thema, wir sind ja Gewohnheitstiere und ja, aber man muss ja irgendwann anfangen.
Marco Nörenberg:
Das ist ein schöner Beitrag, Nicole, weil ich finde, neben dem Ganzen, was wir hier natürlich erörtern, dass du Gesetze hast, die dich unterstützen und so weiter, ja auch das Thema auf der einen Seite interne Netzwerke von Frauen oder beziehungsweise auch als Betriebsräte, was wir jetzt hier machen, ist ja auch eine Form von Netzwerken für das Thema Frauen und Förderung. Das Andere ist jetzt eben auch gesagt, dass es geht eigentlich, es geht auch nicht ohne eine Bereitschaft im Management, sich auf diese Diskussion einzulassen. Das sind ja beides ganz wichtige Aspekte. An der Stelle, Dennis, vielleicht an dich die Frage, du hast ja tatsächlich auch geschildert, dass es bei euch überwiegend Männer sind, die starten und das hat ja das Problem, wenn man so, je weiter es nach oben geht, das müsste sich ja da so durchziehen. Wie kommt man denn in so einer Situation dazu, dass eine Frau beispielsweise in dem Vorstand praktisch von ganz unten sich hocharbeitet?
#Betriebsrat #360GradBR #Genderpaygap #equalpay #Frauenförderung
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